Das Vierte Jahrzehnt: Teil 1 - Das Jahr 2000
01.03.2010 | 01:13Die Redaktion hat für euch die zurückliegenden zehn Jahre nochmals ein bisschen unter die Lupe genommen. Der erste Teil der Serie befasst sich mit dem Jahr 2000.
Nach den Gründerjahren in den 1970ern, den goldenen 1980ern und den kritischen Umbruchsjahren in den 1990ern, jährte sich am 13. Februar 2010 das Wiegenfest des Heavy Metal zum vierzigsten Male, war es doch am Freitag, dem 13. Februar 1970, als das Debüt einer jungen Band aus Birmingham in England erschien. Es hörte auf den Namen "Black Sabbath".
Nun, vierzig Jahre später ist naturgemäß das vierte Jahrzehnt metallischer Musik und Subkultur zu Ende gegangen. Diese Begebenheit wollen wir nicht zum Anlass nehmen, euch zum drölfzigsten Mal einen groben Abriss über die Geschichte des Heavy Metal zu liefern, wie er bereits tausendfach in allen Qualitätsstufen im Netz zu finden ist, sondern wir wollen im Laufe des Jahres 2010 zusammen mit euch auf die musikalischen Highlights und Entwicklungen des vergangenen Jahrzehnts zurück blicken. Da wir der festen Überzeugung sind, dass die 2000er ein gutes Jahrzehnt für unsere Musik waren, wollen wir von nun an jeden Monat eines der zurückliegenden zehn Jahre Revue passieren lassen, und euch die Alben vorstellen oder in Erinnerung rufen, die uns aus diesem Jahr besonders beeindruckt haben.
Den Anfang macht natürlich das Jahr 2000, für welches fünfzehn Kollegen ihre Lieblingsalben nominiert haben. Herausragende Platzierungen und Mehrfachnennungen ließen eine Rangfolge entstehen, an deren oberem Ende nun die vierundzwanzig aus unserer Sicht überzeugendsten Scheiben stehen. Eben jene werden wir euch nun in umgekehrter Reihenfolge vorstellen. Die Abstimmungsergebnisse findet ihr ganz am Ende des Artikels, ein Klick auf die unten abgebildeten Cover führt euch zur ausführlichen Besprechung der Scheibe.
Plätze 18 bis 24: 12 Punkte
Den Anfang machen wir mit jenen sieben Scheiben, die es als jeweiliges "Album des Jahres 2000" eines einzelnen Kollegen auf einen einheitlichen achtzehnten Platz unserer Rangliste gebracht haben. Dazu gehören ANGEL DUST aus dem Ruhrgebiet mit ihrem fünften Album "Enlighten The Darkness", die es unserem Herausgeber Georg besonders angetan haben. Keine schlechte Wahl, haben sie doch seit ihrem 1998er-Comeback mit "Border Of Reality" ihren nicht unbeträchtlichen Teil dazu beigetragen, dass der progressive Power Metal aus deutschen Landen wieder ein wenig mehr ins Gespräch kommen konnte.
Der Verfasser dieser Zeilen vergab seine Stimme an ein ungleich extremeres Werk, nämlich das große Comeback der norwegischen Black-Metal-Gründerväter MAYHEM, mit dem sich das nach zwei Todesfällen erheblich umbesetzte Quartett natürlich sehr weit von seinen Wurzeln entfernt hatte. Den einen Anlass zur Schelte und zum Vorwurf des Verrats an schwarzen Tugenden, gilt das Album anderen noch heute als eines der progressivsten, mutigsten und ungewöhnlichsten Metalalben aller Zeiten. Eines ist jedoch klar: "Grand Declaration Of War" ist ein polarisierendes und Aufsehen erregendes Album, das die Szene spaltet wie kaum ein anderes.
Das zweite Soloalbum eines waschechten Ritters des Britischen Empires ist Stephan Voigtländers Album des Jahres 2000. Mit "Sailing To Philadelphia" hat Mark Knopfler, der ehemalige Sänger und Gitarrist der DIRE STRAITS, natürlich keinen Heavy Metal aufgenommen, aber auf jeden Fall ganz großes Gitarrenkino von einem der legendärsten Saitengötter aller Zeiten, und dazu Musik mit viel Seele und unglaublichem Tiefgang. Der beste Beweis dafür, dass auch mit ehrlicher, unaufgesetzter und trendferner Musik zwischen Rock und Folk die weltweiten Charts zu knacken sind. Es wäre ja auch zu schade, wenn es keine Hits wie 'What It Is' oder das phänomenale Titelstück gäbe.
Stefan Lang hat wie ich seinen Jahrespokal nach Norwegen vergeben, allerdings an eine Band, die musikalisch wenig und spirituell nichts mit den alten Black-Metal-Heroen gemein hat. Eine technisch-progressive Mischung aus Death Metal und Thrash Metal ist es, die uns EXTOL auf ihrem Zweitlingswerk "Undeceived" präsentieren. Gesanglich könnte sich auch der eine oder andere Black-Metal-Fan angesprochen fühlen. Jazzige Rhythmen, komplexe Arrangements und abwechslungsreich aufgebaute Songs sorgen dafür, dass auch Prog-Nasen auf ihre Kosten kommen.
Spötter bezeichnen sie gerne als STRATOVARIUS mit halskrankem Sänger, während die Band für andere der Wegbereiter eines neuen, melodischen und kommerziell erfolgreichen Zeitalters des Extrem-Metals ist. Kollege Julian gehört mit Sicherheit zur letzteren Kategorie, denn für ihn haben die damals noch immer recht jungen Finnen von CHILDREN OF BODOM mit ihrem dritten Album "Follow The Reaper" das Album des Jahres abgeliefert. Auch wenn wir Anhänger des archaischen Death-Metal-Verständnisses nach wie vor etwas skeptisch daneben stehen, ist doch eines klar: Die Band hat erheblich dazu beigetragen, dem extremen Metal ein neues, jüngeres Publikum zu erschließen.
Dass unser Mattes in aller Regel nicht gerade den metallischen Standard auf dem Speiseplan hat, das ist kein Geheimnis. So überrascht es auch nicht, dass er CELESTIAL SEASON, die Ex-Doomer aus den Niederlanden, gerade dann besonders gut findet, wenn ihnen die alten Anhänger in Scharen davon laufen. So geschehen mit der stilistischen Kurskorrektur um die Jahrtausendwende, und speziell mit dem wunderschönen, aber gänzlich von den Wurzeln entfremdeten, in Eigenregie produzierten Alternative/Stoner-Rock-Scheibchen "Lunchbox Dialoges". Schade, dass kurz danach der Ofen aus war.
Mit einem sehr dunklen und eigenständigen Album endet der Reigen der nur von einem Kollegen nominierten Jahresbesten. Eikes Wahl fiel auf "Bleak", den Zweitling der Saarländer von AUTUMNBLAZE, die auf diesem Album eine sehr entrückte Mischung aus finsterem Doom, verzweifeltem Black Metal und melancholischem Gothic darbieten. Auf eine sehr originelle Weise, das sei angemerkt, die in dieser Form weder vorher noch später an unser Ohr drang. Vor allem im Vergleich zum Debütalbum ein Quantensprung in Sachen Originalität.
Plätze 15 bis 17: 13 Punkte
Die ersten Mehrfachnennungen folgen auf dem Fuße, und so finden sich auf Platz 15 gleichauf drei Scheiben, welche allesamt von je zwei Kollegen gewählt wurden. Dazu gehört mit "Mer De Noms" - dem Debüt der progressiven Alternative Rocker von A PERFECT CICLE - ein weiteres relativ unmetallisches Album, das durch emotionalen Tiefgang, die tollen Vocals von TOOL-Sänger Maynard James Keenan und auf hohem Niveau eingängige Songs mit gediegener Schwere besticht.
Bereits drei Jahre vor Maynard James Keenan hat sich ein anderer prominenter Frontmann eine zweite Band für seine nicht zur Hauptband passenden Interessen gesucht. Die Rede ist hier von HYPOCRISYs Peter Tägtgren, dessen neue Band PAIN allerdings erst im Jahre 2000 mit "Rebirth" richtig von sich reden machte. Eingängige, hämmernde Songs im industrialisierten Metalgewand, ein entfesselt shoutender Tägtgren und ein guter Schuss von dessen Vorliebe für elektronische Sounds, lassen die Scheibe für eine relativ große Zielgruppe interessant werden.
Warum die erklärten Redaktionslieblinge von FATES WARNING nicht noch weiter vorne gelandet sind, kann ich nicht so recht sagen. Vielleicht war der eine oder andere enttäuscht, dass die Scheibe nicht die konzeptionelle Tiefe des Vorgängers erreichte. Man weiß es nicht. Ich für meinen Teil bin froh, dass "Disconnected" ein wenig songorientierter und rockiger geraten ist. Auch hier gibt es natürlich ausladende Arrangements und instrumental atemberaubend großes Kino zu Hauf. Über Ray Alders Klasse muss nichts weiter gesagt werden, und zu guter Letzt sind auch Songs wie zum Beispiel 'One' einfach nur unbeschreiblich gut. Holger und Peter scheinen das nicht nur ähnlich zu sehen, sondern noch begeisterter zu sein als ich.
Platz 14: 15 Punkte
Nach einigen größeren Namen kommen wir nun zu einer Band, die sich aus damaliger Sicht im tiefsten Untergrund bewegte und die auch heute noch vor allem in Kreisen verehrt wird, die sich dem traditionellen, epischen Heavy Metal verschrieben haben. Die Rede ist von Mike Scalzis THE LORD WEIRD SLOUGH FEG, die mit ihrem dritten Album "Down Among The Deadmen" erstmals etwas weitere Kreise ziehen konnten. Eine herrlich verschrobene Mischung aus keltischen Folkmelodien, Metal der frühen NWoBHM-Ära, BROCAS HELM und dem absolut einzigartigen Gesang des Frontmannes. Eine Band wie keine zweite!
Plätze 12 und 13: 16 Punkte
Nur ein Album ist bisher in der siebzehnjährigen Geschichte dieser Band erschienen, was vielleicht daran liegen könnte, dass zum einen das Schaffen der Norweger sehr komplex ist, und zum anderen daran, dass einige der Bandmitglieder sehr gefragte Session-Musiker sind. SPIRAL ARCHITECT bieten auf "A Sceptic's Universe" progressiven Metal mit einer von Wundertrommler Asgeir Mickelson angetriebenen, atemberaubenden Rhythmik und dem großartigen Gesang eines Øyvind Hægeland. Zweifellos ein Meisterwerk, das Freunden progressiver Klänge das Herz aufgehen lässt.
Ebenfalls progressiv und anspruchsvoll, wenn auch ein gutes Stück eingängiger und weniger komplex ist der punktgleich ins Ziel kommende Doppeldecker "Universal Migrator I & II" aus dem Hause AYREON. Wie immer hat Arjen Lucassen jede Menge illustrer Gäste ins Studio eingeladen um eine spannende Fantasy-Geschichte zu vertonen, und dabei ließen sich selbst illustre Gäste wie Bruce Dickinson und Andi Deris nicht zweimal bitten. Wer also einerseits auf Konzeptalben und andererseits auf leicht spacigen Prog mit tollen Melodien steht, der ist bei Arjen & Co. wie immer gut aufgehoben. Was AYREON indes so besonders macht, ist die Tatsache, dass der Niederländer es ganz hervorragend versteht, völlig verschiedene, charismatische Sänger-Originale so einzusetzen, dass sie den Songs und der Geschichte dienen. So wird jedes AYREON-Album zu einem wahren Fest für Freunde des Gesangs, zu denen ganz offensichtlich unser Frank Jaeger gehört, war dieses Doppelpack für ihn doch ganz eindeutig sein Album des Jahres.
Platz 11: 19 Punkte
Knapp an den Top-10 gescheitert ist ein weiterer Prog-Meilenstein, und zwar der Drittling aus dem Hause PAIN OF SALVATION, der auf beeindruckende Weise massive Heaviness mit verspielten Passagen und entrücktem Gesang verbindet. Ja, "The Perfect Element I" ist in der Tat ein fesselndes Album, was sich nicht nur daran ablesen lässt, dass es gleich von vier Teammitgliedern in ihre Bestenliste gewählt wurde. Ihr könnt es auch sehr gut nachvollziehen, wenn ihr euch einmal das auf gespenstische Weise fesselnde und doch so sehr mitreißende 'Ashes' anhört.
Platz 10: 20 Punkte
Die Reihe der zehn unserer Ansicht nach besten Scheiben des Jahres 2000 eröffnet ein Album, das mir selbst sehr viel bedeutet, stammt es doch von einer meiner langjährigen Lieblingsbands, die sich hier damit beschäftigt, einen der spannendsten und besten Klassiker der Weltliteratur zu vertonen. JAG PANZER, das Metal-Urgestein aus Colorado, versucht sich auf "Thane To The Throne" an Shakespeares "Macbeth" und erschafft dabei auf dem dritten Album seit seinem im Metal-Untergrund grenzenlos umjubelten Comeback, ein Referenzwerk in Sachen Literatur-Konzept. Großartig gesungen von Harry 'The Tyrant' Conklin und mit einem Gitarrenfeuerwerk der Herren Briody und Broderick. In Sachen Einzelplatzierungen sticht hier der zweite Platz bei Martin Schaich und der vierte Platz in meiner Liste heraus.
Platz 9: 23 Punkte
Eine durchaus ähnliche Zielgruppe wie Platz 10 bedient unsere nächste Band mit ihrem ersten offiziell über ein Label erschienenen Album. Progressiver Power Metal amerikanischer Prägung mit einem grandiosen, aber durchaus eigenwilligen Sänger namens David Taylor, der es sich irgendwo zwischen Geddy Lee, John Arch und Gianni Nepi bequem gemacht hat. Die Rede ist von JACOBS DREAM aus Columbus in Ohio, deren selbstbetiteltes Album "Jacobs Dream" bei Georg die Silbermedaille einstreicht und es daneben auch bei Peter, Frank und mir in die Top-10 geschafft hat. Für das Label-Debüt einer unbekannten Band sicher keine Selbstverständlichkeit, aber bei Songs wie dem göttlichen 'Kinescope' mit Sicherheit auch kein Wunder. Schade, dass sich Band und Sänger nach dem zweiten Album getrennt haben. Mit dem neuen Frontmann Chaz Bond ist die Band zwar immer noch sehr passabel im Rennen, aber das Debüt blieb bis heute unerreicht.
Platz 8: 24 Punkte
Eine von selbsternannten Metal-Kriegern oft belächelte Band, die in unseren Reihen mit Elke und Enrico zwei sehr treue Anhänger hat, stammt aus dem Land der tausend Seen. Die Stärken von SONATA ARCTICA lagen seit jeher auf sehr melodischen Songs mit starkem Keyboard-Einsatz und eingängigen Hooks, die vor allem auf die klare und glockenhelle Stimme von Frontmann Tony Kakko aufbauen. Just als der finnische Stern STRATOVARIUS anfing zu sinken, sprangen die jungen Landsleute in die Bresche und schafften es, mit ihrem Debüt "Ecliptica" all jene anzusprechen, die mit der zweiten Welle des Melodic Speed Metals aufgewachsen sind, und natürlich auch einige etwas ältere Semester.
Platz 7: 25 Punkte
Nicht ganz so friedlich war dereinst die Trennung von ihrem charismatischen Frontmann Bruce Dickinson. Ebenso war die Zeit der eisernen Jungfrau mit Blaze Bayley nicht ganz so schlecht, und doch schrie die ganze Metalwelt jahrelang nach der Wiedervereinigung dessen, was zusammen gehört. Um die Jahrtausendwende wurde das Rufen erhört, und Bruce Dickinson kehrte zu IRON MAIDEN zurück. Erstes Produkt der reformierten Metal-Legende war sodann "Brave New World", das zwar - insbesondere im Refrain-Bereich - durchaus gewisse Schwächen hat, dafür aber auch mit Songs wie 'Ghost Of The Navigator' oder 'Nomad' glänzt, die mit zum Besten gehören, was das einstige NWoBHM-Flaggschiff jemals veröffentlicht hat. Dies und die grenzenlose Freude zahlreicher Fans über die Reunion sorgt dann doch dafür, dass IRON MAIDEN auch heute, nach zehn Jahren, für das Comeback noch jede Menge Anerkennung erfahren. So ist "Brave New World" für unseren Chefredakteur Peter ganz klar das Album des Jahres, und auch Alice und ich sehen die Scheibe oben mit dabei.
Platz 6: 26 Punkte
Mit guter Laune, Spaß in den Backen, bissigen Texten und folkig rockenden Songs meldeten sich die Gründerväter des Folk Metal kurz nach Anbruch des neuen Millenniums zurück. Einen neuen, dicken Deal in der Tasche standen die Zeichen auf Sturm, und jeder hätte es den sympathischen Musikern aus Nordengland gegönnt, mit SKYCLAD nach all den Jahren doch noch richtig durchzustarten. Das Zeug dazu hätte die neue Platte "Folkémon" durchaus gehabt, war sie doch wieder etwas härter, straighter und eingängiger als zuletzt. Nicht nur Frank Jäger, Martin Schaich und Georg, die den Silberling nominiert haben, hätten gerne noch viele Alben der Band um Martin Walkyier gehört, doch es sollte nicht sein. Kurz nach diesem tollen Scheibchen trennten sich die Wege von Frontmann und Band im Unfrieden, und es sollte Jahre dauern, bis SKYCLAD mit neuem Gesang wieder zaghaft aufzublühen begann. Ob sie jemals wieder die Popularität früherer Zeiten erlangen werden, bleibt mehr als fraglich.
Plätze 4 und 5: 27 Punkte
Punktgleich teilen sich zwei Bands diesen Rang, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Zum einen haben wir hier die kalifornischen Prog-Thrasher von TOURNIQUET, die zu jener Zeit zwar bereits seit gut elf Jahren am Start waren und fünf Studioalben veröffentlicht hatten. Dennoch nahmen in unseren Breiten viele Leute erst mit dieser - über Metal Blade veröffentlichten und daher überall erhältlichen - Scheibe wirklich Notiz von dieser grandiosen Band, die es hier wie keine zweite Band aus diesem Genre schafft, komplexes bis hektisches Riffing, anspruchsvolle Strukturen und vielseitigen Gesang mit tollen, fesselnden Melodien zu verbinden, die "Microscopic View Of A Telescopic Realm" zu einem ganz großen Album machen, das sich völlig verdient so weit vorne in dieser Liste findet. Wer die Band nicht einschätzen kann, dem sei gesagt, dass es sich zumindest bei diesem Album um ein Wunderwerk handelt, das seine Freunde in allen Fan-Bereichen zwischen DEATH, NEVERMORE und ANACRUSIS finden sollte.
Punktgleich auf der selben Stufe steht indes ein Projekt, das kommerzieller kaum sein könnte, was ich in diesem Fall völlig wertfrei meine. Der einstige SAVATAGE-Ableger TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA tritt mit seinem ersten komplett unweihnachtlichen Album "Beethoven's Last Night" an, und spaltet die Gemüter damit natürlich weniger als mit den Vorgängern. Dennoch bleibt es eine zwiespältige Angelegenheit. Was für Enrico ganz klar das Album des Jahres ist und auch Julian kaum weniger begeistert, das ist für manch anderen doch eine Spur zu viel Kitsch und Pomp. Auch wenn ich selber eher der letzteren Gruppe zugehöre, werde weder ich noch hoffentlich sonst jemand ernsthaft bestreiten wollen, dass hier einige der begnadetsten Metalmusiker großartige Melodien für ein riesiges Publikum spielen. Sie wären blöde, wenn sie diese Gnade nicht annehmen würden.
Platz 3: 28 Punkte
Wie schon die zuvor besprochene Platte, so gehört auch unser dritter Platz zu den Scheiben, die polarisieren - die Freunde und Feinde haben. Freunde hat dieses Album deshalb, weil es einer bis dahin durchaus angesehenen und renommierten Band zum endgültigen kommerziellen Durchbruch verholfen und ihr völlig neue Fanschichten erschlossen hat. Feinde hat es naturgemäß deshalb, weil damit ein stilistischer Wandel, eine Modernisierung einher ging, welche die Göteborg-Death-Legende IN FLAMES dem angestammten Genre zu entreißen begann. Mit "Clayman" verließen die Schweden in den Ohren mancher den Pfad der Tugend und fügten ihrem hochmelodischen, von NWoBHM-Zitaten im Leadbereich geprägten Death Metal zeitgemäße, moderne, ja, trendige Elemente hinzu, die der Band einen enormen Popularitätsschub verliehen, sie aber den Metal-Puristen entfremdete. Zumindest wird es so kolportiert. Was mich angeht, ich sehe den Wandel, stelle aber beim erneuten Hören der Scheibe immer wieder fest, dass der Unterschied zu "Colony" dann doch nicht so groß war, dass man in Zetern ausbrechen müsste. "Clayman" ist ein fett rockendes Brett, das zu Recht seine zahlreichen Anhänger gefunden hat, von denen zumindest fünf in unserer Redaktion gelandet sind.
Platz 2: 39 Punkte
Ebenfalls fünf Nennungen hat unser zweiter Platz eingestrichen, und das belegt die gute alte These, dass das dritte Album einer Band ziemlich wichtig für die weitere Karriere sein kann. Make it or break it? In diesem Fall ganz klar die Variante Nummer eins, denn in kommerzieller Hinsicht haben die Finnen von NIGHTWISH auf "Wishmaster" mit absoluter Sicherheit alles richtig gemacht. Für unsere Pia das Album des Jahres und für vier weitere Kollegen oben mit dabei, das kann sich sehen lassen. Auch wenn ich persönlich kein großer Freund des Genres bin, so bleibt doch neidlos anzuerkennen, dass die Mixtur aus dunklem Heavy Metal, bombastischen Orchestrierungen und weiblichem Operngesang, welche Mastermind Tuomas Holopainen für seine Band samt Frontdame Tarja Turunen ersonnen hat, zum wirklich großen Ding der ersten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts geworden ist. Außerdem steht auch aus meiner Sicht bis heute fest, dass man dieses Genre nicht besser spielen kann, als es NIGHTWISH auf diesem Album taten.
Platz 1: 78 Punkte
Doch nun alles Bisherige beiseite geschoben - wir kommen zum Sieger unserer Abstimmung zum ersten Jahr des vergangenen Jahrzehnts, und dieser thront so unangefochten auf dem ersten Platz, dass es fast schon unheimlich ist. Er hat locker doppelt so viele Punkte wie der Zweitplatzierte, ist für Elke, Alice, Holger und Martin Schaich das Album des Jahres, für Peter auf Platz zwei und für mich an dritter Stelle, und das bei insgesamt acht Nennungen: Das sind NEVERMORE mit ihrem unerreichten Meisterwerk "Dead Heart In A Dead World", einer Scheibe, die von Anfang bis Ende regiert. Obwohl NEVERMORE vorher wie nachher immer für gute bis sehr gute Alben bürgten, gab es doch kaum ein Album, das so makellos gewesen wäre, wie eben diese Scheibe, mit der es die Herren aus Seattle geschafft haben, ihr sonst manchmal allzu hektisches und massives Riff-Inferno an einigen Stellen so weit zurück zu nehmen, dass der Song aufleben kann, dass die Melodie Luft zum Atmen und der Hörer Raum zum Schweben hat. Außerdem gibt dieses Album Warrel Dane so viele Möglichkeiten, die großartige emotionale Seite seiner einzigartigen Stimme zu nutzen, wie sonst nur sein etliche Jahre später erschienenes Soloalbum. Kurzum: NEVERMOREs Meisterwerk und allgemein ein Metal-Klassiker für die Ewigkeit, dem ich von Herzen den ersten Platz gönne, auch wenn meine eigene Nummer eins eine andere war.
[Rüdiger Stehle]
Im Forum ist eure Meinung zu diesem Artikel, den vorgestellten Alben und allen Rock- und Metalthemen des Jahres 2000 gefragt.
Zum Abschluss die Siegerlisten der einzelnen Kollegen:
Alice Srugies:
Nevermore "Dead Heart In A Dead World"
Iron Maiden "Brave New World"
Pantera "Reinventing The Steel"
Martyr "Warp Zone"
The Crown "Deathrace King"
Decapitated "Winds Of Creation"
Spiritual Beggars "Ad Astra"
Ulver "Perdition City"
Helloween "The Dark Ride"
Eike Schmitz:
Autumnblaze "Bleak"
Apocalyptica "Cult"
Incubus "Make Yourself"
Placebo "Black Market Music"
Billy Brag & Wilco "Mermaid Avenue Vol. II"
The Mystic Krewe Of Clearlight "The Mystick Krewe Of Clearlight"
New Model Army "Eight"
Jeff Beck "You Had It Coming"
TheThe "Naked Self"
Reef "Getaway"
Elke Huber:
Nevermore "Dead Heart In A Dead World"
Die Apokalyptischen Reiter "All You Need"
Sonata Arctica "Ecliptica"
Vanishing Point "Tangled In Dreams"
In Flames "Clayman"
A Perfect Circle "Mer De Noms"
The Gathering "If_Then_Else"
Ayreon "Universal Migrator I & II"
Pain Of Salvation "The Perfect Element I"
Enrico Ahlig:
Trans-Siberian Orchestra "Beethoven's Last Night"
Cradle Of Filth "Midian"
Sonata Arctica "Ecliptica"
Nightwish "Wishmaster"
Rhapsody "Dawn Of Victory"
Pain "Rebirth"
The 69 Eyes "Blessed Be"
Knorkator "Tribute To Uns Selbst"
In Flames "Clayman"
Frank Jaeger:
Ayreon "Universal Migrator I & II"
Skyclad "Folkemon"
Spiral Architect "A Sceptics Universe"
Tourniquet "Microscopic View"
Ark "Ark"
Enchant "Juggling 9"
Nevermore "Dead Heart In A Dead World"
Nightwish "Wishmaster"
Jacob's Dream "Jacob's Dream"
The Haunted "The Haunted... Made Me Do It"
Georg Weihrauch:
Angel Dust "Enlighten The Darkness"
Jacob's Dream "Jacob's Dream"
Tourniquet "Microscopic View"
Nightwish "Wishmaster"
Skyclad "Folkemon"
Slechtvalk "Falconry"
Majesty "Keep It True"
Axxis "Back To The Kingdom"
Dark Tranquillity "Haven"
Adorned Brood "Asgard"
Holger Andrae:
Nevermore "Dead Heart In A Dead World"
Slough Feg "Down Among The Deadman"
Pain Of Salvation "The Perfect Element I"
Spiral Architect "A Sceptics Universe"
Spock's Beard "V"
Fates Warning "Disconnected"
Journey "Arrival"
Steel Prophet "Messiah"
Hades "The Downside"
Transatlantic "SMPTe"
Julian Rohrer:
Children Of Bodom "Follow The Reaper"
Trans-Siberian Orchestra "Beethoven's Last Night"
Virgin Steele "The House Of Atreus II"
Misteltein "Rape In Rapture"
Nocturnal Rites "Afterlife"
Haggard "Awaking The Centuries"
Macabre "Dahmer"
Thyrfing "Urkraft"
Lefay "S.O.S."
Brainstorm "Ambiguity"
Matthias Freiesleben:
Celestial Season "Lunchbox Dialogues"
Iron Monkey "Iron Monkey"
Harmful "Counterbalance"
A Perfect Circle "Mer De Noms"
Godspeed You Black Emperor "Levez Vos Skinny Fists"
Sigur Ros "Agaetis Byrjun"
Sonic Youth "NYC Ghosts & Flowers"
Fu Manchu "King Of The Road"
Electric Wizard "Dopethrone"
Lowrider "Ode To Io"
Martin Schaich:
Nevermore "Dead Heart In A Dead World"
Jag Panzer "Thane To The Throne"
Skyclad "Folkemon"
Lefay "S.O.S."
Steel Prophet "Messiah"
Lizzy Borden "Deal With The Devil"
Slough Feg "Down Among The Deadman"
Trans-Siberian Orchestra "Beethoven's Last Night"
Armored Saint "Revelation"
Brainstorm "Ambiguity"
Peter Kubaschk:
Iron Maiden "Brave New World"
Nevermore "Dead Heart In A Dead World"
Transatlantic "SMPTe"
Fates Warning "Disconnected"
Jacob's Dream "Jacob's Dream"
Pain Of Salvation "The Perfect Element I"
Spock's Beard "V"
The Haunted "The Haunted... Made Me Do It"
Armored Saint "Revelation"
Jag Panzer "Thane To The Throne"
Pia-Kim Schaper:
Nightwish "Wishmaster"
The Wohlstandskinder "Engarde"
Stratovarius "Infinite"
In Flames "Clayman"
Sonata Arctica "Ecliptica"
Sinergy "To Hell And Back"
Eternal Tears Of Sorrow "Chaotic Beauty"
Atrocity "Gemini"
Dark Tranquillity "Haven"
Nevermore "Dead Heart In A Dead World"
Rüdiger Stehle:
Mayhem "Grand Declaration Of War"
Tormentor "Recipe Ferrum!"
Nevermore "Dead Heart In A Dead World"
Jag Panzer "Thane To The Throne"
Halford "Resurrection"
Helloween "The Dark Ride"
Cruachan "The Middle Kingdom"
Venom "Resurrection"
Jacob's Dream "Jacob's Dream"
Iron Maiden "Brave New World"
Stefan Lang:
Extol "Undeceived"
Tourniquet "Microscopic View"
In Flames "Clayman"
Alice Cooper "Brutal Planet"
Nightwish "Wishmaster"
Rob Rock "Rage Of Creation"
Kamelot "The Fourth Legacy"
Supershine "Supershine"
Doro "Calling The Wild"
Galactic Cowboys "Let It Go"
Stephan Voigtländer:
Mark Knopfler "Sailing To Philadelphia"
Hypocrisy "Into The Abyss"
Madrugada "Industrial Silence"
Pain "Rebirth"
The Gathering "If_Then_Else"
Soulfly "Primitive"
Desperados "The Dawn Of Dying"
Monster Magnet "God Says No"
In Flames "Clayman"
Pain Of Salvation "The Perfect Element I"
rans-Siberian Orchestra | Beethoven's Last Night |
Cradle Of Filth | Midian |
Sonata Arctica | Ecliptica |
Nightwish | Wishmaster |
Rhapsody | Dawn Of Victory |
Pain | Rebirth |
The 69 Eyes | Blessed Be |
Avantasia | Avantasia – Metal Opera Pt. 1 |
Knorkator | Tribute To Uns Selbst |
In Flames | Clayman |
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle