Perlen der Redaktion: Kenneth Thiessens Highlights 2023
18.01.2024 | 13:262023 war für mich musikalisch durch das Ausloten von Extremen in meinen Hörgewohnheiten geprägt. Einerseits in Bezug auf die Menge des Konsums insgesamt und andererseits auf die Metalgenres, die bei mir in diesem Jahr vorrangig liefen. So stelle ich am Jahresende mit Blick auf die Alben, die das Jahr über liefen, fest, dass ein deutlich stärkerer Fokus auf allerlei Spielarten des Extreme Metal vorlag, als noch im letzten Jahr. Das zeigt sich auch daran, dass ein Großteil meiner meistgehörten Bands entweder aus dem Black oder Death Metal stammen und letztlich kann man das auch an den Alben sehen, die nun in meiner Jahresliste auftauchen, die stark von diesen Genres geprägt ist. Und der Spannung wegen fange ich in diesem Jahr ganz unten in meiner Liste an:
Platz 30 und 29: INCANTATION - Unholy Deification und MDMA - Organic
INCANTATION kann nicht schlecht und das zeigt die Band auch mit Album Nr. 12. Auch wenn sich am Bandsound nicht viel ändert und der Unterschied zu "Sect Of Vile Divinites" nur gering ist, bevorzuge ich "Unholy Deification", das vor allem in der zweiten Hälfte an Qualität einen Gang höher schaltet. Das Schlusstrio aus 'Altar', 'Exile' und 'Circle' gehört zu den stärksten 15 Minuten Metal aus diesem Jahr.
Mit diesem Album aus Spanien wird es noch eine Spur brutaler. Im Stile alter DEEDS OF FLESH, DISGORGE und BRODEQUIN ballert sich das Trio MDMA durch die halbe Stunde Spielzeit. Die Geschwindigkeit wird kaum gedrosselt. Ein dichter Sound aus schweren Gitarren, fettem Schlagzeug und tiefen Gurgelgrowls wird geboten, den man sich besonders, wenn man sich im Genre nicht auskennt, erstmal erarbeiten muss, wenn er einen dann nicht schon abgeschreckt hat.
Platz 28 und 27: CAVE TO HADES - Pentatonic Symbolism und KAAL NAGINI - Refracted Lights Of A Blind God
"Pentatonic Symbolism" ist die zweite Veröffentlichung des Solo-Projektes CAVE TO HADES in diesem Jahr, welche sich im Vergleich zu "Flammable, We Are All!" noch einmal mehr Richtung Noise bewegt hat. Man hört ein unmenschlich hackendes Schlagzeug, das, auch wenn es unter Schichten von Keyboard-Klängen, Gitarren und Bässen begraben ist, noch immer Akzente setzen kann. Das ungewöhnliche Cover macht diese EP dann neben der wahnsinnigen und abgedrehten Musik zu einem Muss für meine Liste.
Direkt die erste Veröffentlichung des indischen Dreiers KAAL NAGINI haut mich aus den Schlappen. Auch wenn die EP schon im April erschienen ist, tauchte sie erst im auslaufenden Dezember auf meinem Radar auf, konnte mit ihrer zerstörerischen Macht aber in meiner Liste noch einiges durcheinanderwirbeln. Die vier Tracks bieten einen Death-Metal-Abriss, der von einer ritualistisch-gespenstischen fernöstlichen Atmosphäre umgeben ist und einen beim Hören erschaudern lässt. Neben Hochgeschwindigkeitsgeballer gibts hier und da auch absolut mörderische Midtempo-Grooves, die einem den Schädel absäbeln.
Platz 26 und 25: DEMONCY - Diabolical Blasphemiae und VASCULITIS - Masochistic Intestinal Eruption
Plumper Titel, nicht wahr? Musikalisch bleibt bei den Amerikanern DEMONCY auch alles beim Alten. Und da sich eben jener alte US-Black-Metal bei mir in diesem Jahr als eines meiner Lieblingsgenres bewiesen hat, darf diese EP nicht in der Liste fehlen, auch wenn das Studioalbum "Black Star Gnosis", das auch dieses Jahr erschien, in Sachen Qualität hinter diesen kurzweiligen 22 Minuten zu verorten ist, die jeden Freund der Band zufrieden stellen. Absolutes Highlight der Scheibe ist 'Malum Incarnatus Est' mit den typischen Ohrwurmmelodien.
Das Debütalbum des Solo-Projektes von Michael Maynard, VASCULITIS, kann demgegenüber vor allem eines: richtig fett grooven und ballern. Im Genre des Brutal Slamming Death Metal trifft man gerade heutzutage noch eine Produktion, die nicht steril ist. Dieses Album ist da keine richtige Ausnahme, übertreibt es aber mit dem Plastiksound nicht vollends, was meine Sympathie vom ersten Durchlauf an hatte. In sieben Tracks und Intro wechselt das Mastermind zwischen Slam-Grooves und dem Hyperblast-Geballer, das man von Genregrößen kennt. Neu ist hier nichts, dafür aber schmackhaft in Szene gesetzt. Derartige Cover kommen einem in dieser Spielart des Death Metal übrigens öfter unter. Die Musik entschädigt!
Platz 24 und 23: SPELLLING - Spellling And The Mystery School und LAMP OF MURMUUR - Saturnian Bloodstorm
Das einzige Album in dieser Liste, das man nicht dem Metal zuordnen kann, ist eine Neueinspielung alter Songs der Künstlerin Tia Cabral unter dem Namen SPELLLING. Auch wenn der Fundus, aus dem geschöpft werden kann, mit drei vorher veröffentlichten Alben nicht riesig ist, wird ein abwechslungsreiches Programm geboten. Die Neueinspielung verpasst dabei den Songs eine etwas echtere Atmosphäre; während der Fokus auf dem Vorgänger "The Turning Wheel" eher auf einem poppig-weichen Orchester gelegen hat, klingt "Spellling And The Mystery School" eher nach einem Liveauftritt, bei dem man nur die nötigsten Instrumente mit auf die Bühne nimmt. Der Synth-Schwerpunkt auf "Mazy Fly" wird beispielsweise größtenteils durch ein akustisches Schlagzeug ersetzt. Neben dem episch angelegten 'Boys At School' überzeugt 'Revolution' durch seinen Disco-Schlusspart mit genialem Gitarrensolo, während 'Cherry' ziemlich düster daherkommt. Eine Reise in diese interessanten Klangwelten wird nicht langweilig und der aktuelle Langspieler eignet sich da gut als Einstieg, da ein Überblick über die gesamte Diskographie gegeben wird.
Vom Pop geht es dann zurück zum Extreme Metal, genauer: klassischem Black Metal. Und besser kann man "At The Heart Of Winter"-Worship nicht spielen. Innerhalb der knapp 40 Minuten konzentriert sich LAMP OF MURMUUR vollkommen darauf die Essenz des Meilensteins von IMMORTAL anhand des eigenen Materials nachzuzelebrieren. Das gelingt in derart mitreißender Weise, dass ich dieses Album in meiner Liste haben musste. Ohne Ausfälle manövriert man sich durch fünf Songs und ein Zwischenspiel, die sogar von der Produktion ganz klar an das 1999er Album angelehnt sind. Epischer, aggressiver Black Metal mit vielen Thrash- und klassischen Heavy-Momenten kann so schön sein und ruft die Meister dieses Fachs gekonnt in Erinnerung.
Platz 22 und 21: TULUS - Fandens Kall und REVULSED - Cerebral Contamination
Mit TULUS bleibt es nordisch kalt, jedoch weniger episch und ausladend, sondern kompakt und mit Rock 'n' Roll-Charme. Wieder einmal lässt sich die Band von Stilgrenzen nicht einschränken und nimmt eine Platte auf, die man sich einfach immer wieder anhören kann, weil trotz der eher einfach und kurz gehaltenen Songs viel in diesen steckt. Abwechslungsreich sind die zehn Songs allemal, gerade auch, weil der Rausschmeißer 'Barfrost' eine ziemlich intensive und atmosphärische Gedichtrezitation ist, die "Fandens Kall" perfekt abschließt. Zur Entstehung des Albums veröffentlichte die Band übrigens eine Dokumentation, die ziemlich sehenswert ist und einen tiefer in die halbe Stunde lässigen Black 'n' Rolls einsteigen lässt.
"Cerebral Contamination" von REVULSED ist dann die nächste Scheibe, die sich zweifelsfrei dem Genre des Brutal Death Metal zuordnen lässt, obwohl der Begriff "technisch" hier auch passen würde, da das Gebotene alles andere als stumpfes Geballer ist. Hier und da blitzen tolle Soli im Geschehen auf und bieten ein Gegenstück zu dem Riffsalat, den man sich erst erarbeiten muss. Dazu kommt jedoch eine Schlagzeugarbeit, die zu den besten im Genre gehört. Jayson Sherlocks (ex-MORTIFICATION, ex-HORDE) markantes Spiel hebt "Cerebral Contamination" qualitativ auf eine höhere Stufe und auch wenn die Gitarre sich hier einen abrifft, bleibt das Schlagzeug für mich der Sieger des Albums. Die tiefen Blubber-Vocals sind dann das i-Tüpfelchen einer von vorne bis hinten gelungenen Angelegenheit.
Platz 20: IMPETUOUS RITUAL - Iniquitous Barbarik Synthesis
Die Zuschreibung "barbarisch" passt beim Viertling der Australier IMPETUOUS RITUAL wohl nicht ganz so gut, denn wenn man hier ein klassisches War-Metal-Album im Stile von BLASPHEMY oder REVENGE erwartet, wird man enttäuscht. Die grobe Stilrichtung passt aber. Neben Black und Death Metal besteht "Iniquitous Barbarik Synthesis" nämlich vor allem aus Hall und Reverb - ziemlich viel davon, sodass das Hörerlebnis dem Stehen in einem monumentalen, ausgehöhlten Berg gleicht, in dem über hunderte Boxen BLASPHEMY abgespielt wird. Für ungeübte Ohren endet das zweifellos in einem Chaos. Wenn man dem Album jedoch Zeit und mehrere Durchläufe gibt, saugt einen diese Atmosphäre auf und lässt einen im überlebensgroßen Track 'Psychic Necrosis' einen Hauch von Epik fühlen. Es lohnt sich "Iniquitous Barbarik Synthesis" die Zeit zu geben, die es braucht, um dem Hörer die Genialität der Nuancen in dem ganzen Chaos zu offenbaren.
Platz 19: BLUT AUS NORD - Disharmonium/Nahab
Das musikalische Chaos, das die Franzosen evozieren, ist zumindest im Jahr 2023 etwas geordneter und gleicht, wie in vielen dazu geschriebenen Rezensionen eher einem Horrorfilmsoundtrack. Mit "Nahab" baut BLUT AUS NORD die "Disharmonium"-Reihe aus, die durch "Undreamable Abysses" würdig begonnen wurde. Der sonstigen Veröffentlichungspolitik der Band nach zu urteilen, muss also ein dritter Teil irgendwann auch folgen, auf den man gespannt sein darf. Vor allem das Tripel 'Queen Of The Dead Dimenson', 'The Black Vortex' und 'Nameless Rites' zeigen das eindringliche und dichte Ambiente, das mit derartiger Musik hervorgerufen werden kann. Dabei erinnert der ein oder andere Moment sogar an "Memoria Vetusta"-Zeiten.
Platz 18: PRISON HELL - Sex Penitentiary
PRISON HELL ist ein weiteres Solo-Projekt in meiner Liste, das wie auch DEMONCY klassischen Black Metal amerikanischer Färbung spielt, dabei aber von den Vocals her eher in Richtung Death Metal geht. Dass diese also insgesamt etwas weniger gut akzentuiert sind und eher einem unverständlicheren Grollen gleichen, stört mich hier nicht. Direkt der Opener 'Fire Time' zeigt die simple Melodik, die doch so mitreißend ist und sich auch durch die komplette Länge von "Sex Penitentiary" zieht. Daneben kann 'Goetia Overcoming' mit dem außergewöhnlichen Anfang ebenso überzeugen wie das mit einer typischen mantrischen Melodie gesegnete 'The Execution'.
Platz 17: NEO INFERNO 262 - Pleonectic
Mit "Pleonectic" setzt das Black-Metal-Kollektiv, bei dem nicht so ganz sicher ist, wer denn jetzt in der Band ist, da an, wo die Italiener ABORYM mit "Dirty" aufgehört haben, bevor sie sich mit "Shifting.Negative" dann vollkommen vom Industrial Black Metal abgewendet haben. So rein und puristisch wie der von MYSTICUM ist der Industrial Black Metal, den NEO INFERNO 262 spielt, zwar nicht, jedoch können die ganzen Stileinflüsse, Samples und Experimente hier voll überzeugen. So stellt sich direkt der Opener '4.0.4.2.6.2' als absolute Hymne heraus, während 'Sexes' mit seinem orchestralen Touch punkten kann und für mich als absolutes Highlight der Scheibe gilt. Daneben geht auch 'Death Is Overrated' mit dem Mitbrüllrefrain direkt ins Ohr und mit 'Of Angels And Silicon' wird ein ziemlich Techno-beeinflusstes, aber absolut würdiges Ende für "Pleonectic" gefunden, bei dem das Cover mit dem überbordenden Brutalismus perfekt zur Musik passt.
Platz 16: REBAELLIUN - Under The Sign Of Rebellion
Sieben Jahre nach ihrem Comeback-Album "The Hell's Decrees" schlagen die Brasilianer REBAELLIUN das insgesamt vierte Mal zu, womit "Under The Sign Of Rebellion" eigentlich schon wieder ein Comeback ist. Besonders "Annihilation" gehört in meinem Death-Metal-Kosmos zu den besten Scheiben überhaupt und so war ich gespannt, ob das oft im Schatten der großen KRISIUN agierende Trio nun das Niveau halten kann. Tatsächlich ist dies eindrucksvoll geglückt und vom Intro-Riff bei 'All Hail The Regicide' an hat einen das Album am Kragen, weil man ein typisch brasilianisches Death-Metal-Motiv hört, wobei diese Spielart des Death Metal tatsächlich auch zu meinen liebsten überhaupt gehört. Wie KRISIUN, REBAELLIUN, ABHORRENCE, MENTAL HORROR und weitere brasilianische Bands auch bei fast durchgehenden Blastbeats die Spannung hochhalten können, ist für mich eine Überraschung und dann letztlich auch eine Hörfreude sondergleichen. An richtig starken Tracks fehlt es "Under The Sign Of Rebellion" nicht. Zu nennen wären da neben dem Opener noch das an MORBID ANGEL erinnernde 'Light Eater' und die Mitgröhlnummern 'Insurgent Fire' und 'Antagonize'.
Platz 15: TORSOFUCK - Postpartum Exstasy
Mit den Finnen TORSOFUCK wirds richtig eklig! Der kranke Humor, den man auf dem legendären Debüt "Erotic Diarrhea Fantasy" schon 2004 gehört hat, zieht sich auch durch "Postpartum Exstasy", ist dabei bis auf die Songtitel aber nicht herauszuhören, da im Slam die unglaublich tiefen und gurgelnden Vocals sowieso eher als weiteres Instrument angesehen werden. Dass Mikko Friberg Meister dieses Fachs ist, weiß sowieso jeder Slam-Fan. Mit 'Necropervert' hat die Band dann direkt den ersten richtig großen Hit als Opener am Start, dessen Groove-Part ich wohl als besten der letzten Jahre im Hinblick auf Slam-Veröffentlichungen bezeichnen würde. Richtig fett! Die Band zeigt den ganzen Jungspunden, die sich mit den sterilsten Plastikproduktionen alle gegenseitig überbieten wollen, dass eine Oldschool-Produktion wie die auf "Postpartum Exstasy" diese um Längen schlägt. An den langen Horror- und Gore-Samples muss man jedoch vorbei, die am Ende sogar zwei Drittel der gesamten Laufzeit ausmachen. Wer den Vorgänger kennt, hat aber nichts anderes erwartet. Eine Slam-Legende steigt aus dem Grab und wir sind live dabei!
Platz 14: DYING FETUS - Make Them Beg For Death
In ähnlichen musikalischen Gefilden befindet sich auch der Nachfolger von "Wrong One To Fuck With", der dieses Album meiner Meinung nach sogar übertrifft, weil er kompakter und eingängiger daherkommt. 'Unbridled Fury' und 'Compulsion For Cruelty', die ich auch beim Party.San schon live habe erleben dürfen, zünden direkt, während auch die kurze Hardcore-Explosion 'Throw Them In The Van' einen umhaut. Wie auch schon in der Rezension geschrieben, schafft es DYING FETUS sowohl live als auch im Studio einen derart fetten Sound zu kreieren, wie ihn nur wenige hinkriegen. Das Zusammenspiel ist stimmig bis ins letzte Detail und "Make Them Beg For Death" ohne Ausfälle.
Platz 13: CONJURETH - The Parasitic Chambers
CONJURETH ist dann gegenüber dem sterbenden Fötus noch etwas mehr im klassischen Florida Death Metal verhaftet und frönt auf dem Zweitling der Kunst kompakte Death-Metal-Hymnen zu schreiben, ganz in der Tradition der Großmeister DEICIDE, deren ganze Diskographie wohl nur aus Dreiminütern besteht. Bei dem amerikanischen Trio, das sich 2018 gründete und schon fleißig an Album Nr. 3 arbeitet, wird diese Vorgehensweise im Songwriting jedenfalls nicht langweilig, weil ein Ohrwurm halt ein Ohrwurm bleibt. Zu plump agiert man dabei auch nicht und so ist 'The Ancient Presence' für mich ganz locker flockig der Death-Metal-Song des Jahres, dessen Refrain ich nicht mehr aus dem Kopf bekomme, ob ich will oder nicht. Als gelungener Kontrast setzt sich der schleppende Death-Doom-Song 'The Unworshipped II' ab und rundet "The Parasitic Chambers" ab.
Platz 12: BLACK EUCHARIST - Inn Of The Vaticide
Mit BLACK EUCHARIST findet sich nun schon die dritte Black-Metal-Institution in meiner Liste, die amerikanischen Black Metal der alten Schule spielt, woran man wohl ganz gut sehen kann, dass es mir dieser Stil angetan hat. Der kultige Einsatz von einem Predigt-Sample lässt einen dabei direkt ins Album einsteigen, während der Titeltrack die erste Hälfte mit einem Highlight enden lässt, dessen Melodien zum Ende des Songs mich besonders überzeugt haben. Die zweite Hälfte, eingeläutet vom atmosphärischen Instrumental 'The Soiled Crucifix' reißt dann mit der Walze 'Broken Staff Of The Shepherd' und dem in Richtung PROFANATICA weisenden Schlusstrack 'A Foul Stench Lingers At Peor' noch einmal mehr mit.
Platz 11: PUTRIDITY - Greedy Gory Gluttony
Nach diesem Lebenszeichen der Italiener PUTRIDITY in Form einer EP stieg die Vorfreude auf ein hoffentlich 2024 erscheinendes viertes Album deutlich, denn die fünf enthaltenen Tracks besitzen eine derart hohe Durchschlagskraft, die auch nur wenige Bands des Genres an den Tag legen. Im Stile des Klassikermaterials von DISGORGE prügelt sich die Mannschaft durch mindestens hundert Breaks pro Song und zeigt wie Brutal-Death-Metal-Songwriting geht. Auch wenn der Hörer öfter an die Grenze des Verstehens der Strukturen gebracht wird, erschließen sich diese spätestens mit dem zehnten Durchlauf immer besser. Das CANNIBAL CORPSE-Cover am Ende zeigt dann nochmal, dass eine normale technische Death-Metal-Band im Vergleich zum Brutal Death Metal dann von der Struktur her doch näher am klassischen Pop-Song dran ist. Kleiner Wermutstropfen: Die Versandkosten für dieses Ding sind leider recht hoch, weswegen sich der geneigte Hörer die EP beim kommenden PUTRIDITY-Gig in Hamburg im Februar wird abgreifen können.
Platz 10: GNAW THEIR TONGUES - The Cessation Of Suffering
Ähnlich wie die vorhin genannte Band BLUT AUS NORD ist "The Cessation Of Suffering" von GNAW THEIR TONGUES mit einem Horrorfilmsoundtrack vergleichbar. Nur ist der schon fünfzehnte Langspieler des Niederländers um einiges eindringlicher, wenn man denn für diese Klangwelten offen ist, denn die Grundzutat sind hier ganz klar Noise-Wände, die sich vor einem aufbauen, nur um dann im nächsten Moment über einem zusammenzubrechen. Das Album war bei jedem Durchlauf deshalb eine derart intensive Angelegenheit, weswegen es sich in dieser Liste wiederfinden musste. Aus dem Cover bin ich jedoch immer noch nicht schlau geworden. Interessant sieht es aber allemal aus.
Platz 9: IMMORTAL - War Against All
Strukturell etwas eingängiger wird es mit Album Nummer 10 meiner größten norwegischen Black-Metal-Helden, die mich als Fan zu 100% bedient haben. Experimente habe ich nicht erwartet und wurde mit klassischem Material aus dem Königreich Blashyrkh beschenkt. Dabei ist jeder Song ein Volltreffer und auch das instrumentale und daher außergewöhnliche 'Nordlandihr' kann mit seinen episch-dramatischen Melodien voll überzeugen. Auch wenn "War Against All" im Vergleich zum Vorgänger "Northern Chaos Gods" also nichts Neues bietet, bleibt es jedoch einfach ein gutes IMMORTAL-Album, das mich mehr mitreißt als vieles, was dieses Jahr im klassischen Black Metal noch fabriziert wurde.
Platz 8: OVERKILL - Scorched
Damit geht es zum einzigen Album in der Liste, das die klassisch-traditionellen Spielarten des Metal repräsentiert. Auch wenn mein Hörverhalten auf dem Extreme Metal in allerlei Varianten lag, konnte ich an "Scorched" nicht vorbei, da es einerseits noch besser als das schon starke "Wings Of War" ist und andererseits einfach nur riesige Groove-Thrash-Hits mit Rock 'n' Roll-Attitüde zu bieten hat. Zu nennen sind da auf jeden Fall 'Bag O' Bones', 'Fever' und 'Harder They Fell', während 'Goin' Home' und 'Won't Be Comin' Back' eher im klassisch-melodischen Heavy Metal verhaftet sind. Dass die alten Herren von OVERKILL immer noch ordentlich dreschen können, beweisen sie mit dem Titeltrack, 'The Surgeon' und 'Twist Of The Wick', wobei Bobby Blitz immer noch herrlich angepisst und aggressiv singt.
Platz 7: TAAKE - Et Hav Av Avstand
Der achte Langspieler von Hoest bzw. TAAKE schlug bei mir ein wie eine Bombe, anders kann ich es nicht beschreiben. Denn dieser lief dann erstmal in Dauerschleife, da ich von diesem Oldschool-Sound, der hier gefahren wird, nicht genug bekommen konnte. So schafft es das Mastermind zwar einerseits melancholisch-atmosphärisch zu klingen, ohne sich dabei in kitschigen Melodien zu verheddern, während er daneben noch richtig tolles thrashiges und manchmal an CELTIC FROST erinnerndes Riffing einbaut. Dabei werden in jedem der vier Longtracks eine Bandbreite an Ideen, Motiven und Riffs verbaut, sodass das Album zwar kein Easy-Listening ist, jedoch nie zu komplex oder sperrig daherkommt.
Platz 6: MORK - Dypet
Den größten Teil des Jahres 2023 über war dieses Album mein Kandidat für den ersten Platz, wurde aber im letzten Moment noch von ein paar Alben ein paar Plätze nach hinten verdrängt, obwohl ich immer noch der Meinung bin, dass "Dypet" von MORK zu 100% perfekt ist. So ist auch 'Bortgang' mein Song des Jahres, da dieser mich schon bei Veröffentlichung als Vorabtrack gepackt hat, und mich bis heute nicht loslässt. Wahnsinnig schöne Leads treffen auf die hier hoffnungslos klingenden Vocals von Meister Thomas Eriksen, der sich kompositorisch auf diesem Album übertroffen hat, da so raffiniert Hooks und Anker in der Musik versteckt sind, die einen von der ersten Sekunde an mitreißen, wie zum Beispiel dieses kleine, aber feine Hauptmotiv in 'Svik'. "Dypet" ist das Album des Jahres, wenn es um klassisch-skandinavischen Black Metal geht.
Platz 5: TETRAGRAMMACIDE - Typho-Tantric Aphorisms From The Arachneophidian Qu’ran
An die Stelle der anfänglichen Ernüchterung über den klareren Sound auf Album Nummer zwei von TETRAGRAMMACIDE ist nun volle Begeisterung getreten, die "Typho-Tantric Aphorisms From The Arachneophidian Qu'ran" nun auf den fünften Platz hievt. Wie in meiner Rezension beschrieben, ist stilistisch nun eine Nähe zu klassischen Black/Death-Bands wie ANGELCORPSE und IMPIETY festzustellen, die den Indern jedoch sehr gut zu Gesicht steht, da dies halt auch die Eingängigkeit ungemein steigert, was sich am genialen 'Intoxicated Bees Of Sekhet-Aarhu Circumambulate The Abode Of Self Beheaded One Who Forever Danceth In Her Shaktisexual Ecstasy' zeigt. Natürlich bleibt die Band auch hiermit weit entfernt davon, als gefällig oder dergleichen durchzugehen. Das ist immer noch abgrundtiefer, dreckig-verstörender Black/Death-Metal, der durch die ritualistischen Zwischenspiele eine ganz eigene Atmosphäre bekommt.
Platz 4: IMPALEMENT - The Dawn Of Blackened Death
Auch schon das Debüt "Impalement" stand bei mir hoch im Kurs und daher war die Vorfreude auf den Nachfolger groß, da Beliath unter dem Bandnamen IMPALEMENT astreinen episch-melodischen Black/Death-Metal in Richtung BELPHEGOR und NECROPHOBIC komponiert. Mit den Hits 'The Herd Marches On' und dem Titeltrack übertrifft man meiner Meinung nach das Debüt schon und das Epos 'Chosen By Tragedy' ist dann gerade in der zweiten Hälfte einfach nur noch eine Melodienekstase. Da stürzt man von einem wunderschönen Motiv ins nächste und ist von der Gitarrenarbeit, die auf diesem Album einfach unglaublich ist, gefesselt.
Platz 3: REVERORUM IB MALACHT - Kyrie Eleison
Kommen wir nun zum Treppchen, das mit den Schweden von REVERORUM IB MALACHT begonnen wird. "Kyrie Eleison" ist dabei eines von drei Alben, die in diesem Jahr veröffentlicht wurden. Während "Emet Amen" meinen Geschmack ziemlich gut verfehlte, konnte jedoch "Aieganzes Aigonzis: Angels Of God" mich auch überzeugen. Doch "Kyrie Eleison" thront für mich über den anderen beiden Werken und steht damit zurecht in meiner Liste auf Platz 3, da dieses Album auch zu meinen meistgehörten im vergangenen Jahr gehört, was auch verständlich ist, da man bei den Durchläufen 1-5 wahrscheinlich mitbekommt, was so alles im Soundchaos passiert. Die Gitarren sind in den Hintergrund gemixt, während im Vordergrund ein Schlagzeug so derbe rumballert, dass das für den ein oder anderen die Grenze zum Hörbaren schon überschreitet. Der Bass ist dabei in der Dreiviertelstunde jedoch nur selten zu hören, wenn aber, dann um ordentlich zu grooven, um die fast durchgehenden Blastbeats zu unterbrechen. Sieger der Scheibe sind aber die Vocals, die die kaputte, gespenstische Atmosphäre noch einmal steigern, indem diese zwischen unmenschlichem Knurren und opernhaften Einlagen alles beherrschen und damit an Attila Csihar erinnern. Der Gesangseinstieg im Track 'Ps 27 (The Lord Is My Light And My Salvation)' ist dabei der absolute Gänsehautmoment des Albums.
Platz 2: TSALAL - Encapsulating The Essence Of Death To Gain Insight Into Rebirth
Die aktuelle EP des kanadischen Duos TSALAL ist dann mindestens genauso kaputt wie das gerade besprochene "Kyrie Eleison", da ein durchgehendes Bassdröhnen einem hier die Ohren durchpustet, wenn nicht sogar wegpustet. Das Schlagzeug darf in gleicher Weise auch fast die ganze Zeit blasten oder zumindest in höchsten Tempi agieren. Strukturen gibt es hier keine zu entdecken, dafür die dichteste Atmosphäre, die ich dieses Jahr auf einem Album erleben durfte. Dazu tragen auch die völlig krank-hysterischen Vocals bei, die die Lyrics, die es hier tatsächlich gibt, auf die abscheulichste Weise auskotzen, während aus dem Nichts kurze Gitarrensoli auftauchen und wieder verschwinden. TSALAL definiert den Begriff "War Black Metal" neu, indem dieser Bolzen auf die geneigten Hörer losgelassen wird. Nur schade, dass die Band bisher noch nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die ihr aufgrund dieser unglaublichen EP zusteht. Der gesamte Backkatalog ist nämlich auch mehr als stark!
Platz 1: PROFANATICA - Crux Simplex
Das vierte Album in diesem Stil zeigt nun wohl eindeutig, dass der klassisch-amerikanische Black Metal in diesem Jahr zu meinen liebsten Stilen im Metal gehörte. Auf "Crux Simplex" findet sich keine schlechte Sekunde und jeder Song für sich ist ein Hit. 'Condemned To Unholy Death' legt nach dem Intro direkt los und hat sich für mich zum Ohrwurm des Jahres entwickelt, während sich diese herrlich simplen, aber effektiven Riffs durch das ganze Album ziehen und auch direkt in 'Take Up The Cross' nachvollzogen werden können. 'Meeting Of A Whore' ist dann das absolute Highlight des Albums, wobei die Doom-Walzen 'Compelled By Romans' und 'Division Of Robes' auch genial in Szene gesetzt werden. Jeder Track überzeugt und reißt von der ersten bis zur letzten Sekunde mit und zeigt Paul Ledney und den kongenialen Adam Besserer in Topform, der auch schon auf der 2022 erschienenen "Pale Fuck"-EP zu hören war und sich perfekt in den PROFANATICA-Sound eingefunden hat. "Crux Simplex" ist damit für mich die perfekte Weiterführung einer eigentlich makellosen Diskographie der amerikanischen Black-Metal-Legende!
Bonus:
Als Bonus seien dann noch drei Live-Alben erwähnt, die mir 2023 besonders gefallen haben. Zunächst veröffentlichte MAYHEM mit "Daemonic Rites" eine gelungene Zusammenstellung von Live-Auftritten der "Daemon"-Tour, bei der die Tatsache, dass es sich nicht um ein Konzert handelt, mich etwas stört, da man so halt sich die besten Auftritte der Tour herausgesucht hat und für mich zumindest das Live-Gefühl mit dem Wissen im Hinterkopf nicht ganz aufkommen will. Nichtsdestotrotz eine mächtige Ansage an andere Bands des Genres, dass eine der dienstältesten Bands immer noch so erhaben klingt und viele Jungspunde neben sich zu Staub zerfallen lässt. Mit "Kvlt Kommand" von KAPALA und "Mark Of The Beast" von TSALAL wird es dann noch eine Spur extremer, denn bei ersterem regiert der Krach, was zu den Indern jedoch sehr gut passt. Hymnen wie 'Homosapiennihilation' oder 'Doomsday Arsenal' kommen in diesem Soundgewand noch einmal heftiger herüber, während bei TSALAL live das Bassdröhnen noch vernichtender klingt und damit sogar extremer als die genannte EP der Band ist.
Komplett im Gegensatz dazu war auch die zweite Archiv-Veröffentlichung des britischen Rock-Giganten STATUS QUO ein Ohrenschmaus sondergleichen, der zwar viele, aber lange nicht alle Hits der Band bietet, was bei einem derart riesigen Backkatalog auch unmöglich ist. Die Energie, die da bei dem Hörer ankommt, ist unvergleichlich und schlägt für mich manchmal auch jede War-Metal-Band. Aber nur manchmal!
Rang |
Band | Album |
01. | PROFANATICA | Crux Simplex |
01. | TSALAL | Encapsulating The Essence Of Death To Gain Insight Into Rebirth |
03. | REVERORUM IB MALACHT | Kyrie Eleison |
04. | IMPALEMENT | The Dawn Of Blackened Death |
05. | TETRAGRAMMACIDE | Typho-Tantric Aphorisms From The Arachenophidian Qu'ran |
06. | MORK | Dypet |
07. | TAAKE | Et Hav Av Avstand |
08. | OVERKILL | Scorched |
09. | IMMORTAL | War Against All |
10. | GNAW THEIR TONGUES | The Cessation Of Suffering |
11. | PUTRIDITY | Greedy Gory Gluttony |
12. | BLACK EUCHARIST | Inn Of The Vaticide |
13. | CONJURETH | The Parasitic Chambers |
14. | DYING FETUS | Make Them Beg For Death |
15. | TORSOFUCK | Postpartum Exstasy |
16. | REBAELLIUN | Under The Sign Of Rebellion |
17. | NEO INFERNO 262 | Pleonectic |
18. | PRISON HELL | Sex Penitentiary |
19. | BLUT AUS NORD | Disharmonium - Nahab |
20. | IMPETUOUS RITUAL | Iniquitous Barbarik Synthesis |
21. | REVULSED | Cerebral Contamination |
22. | TULUS | Fandens Kall |
23. | LAMP OF MURMUUR | Saturnian Bloodstorm |
24. | SPELLLING | Spellling And The Mystery School |
25. | VASCULITIS | Masochistic Intestinal Eruption |
26. | DEMONCY | Diabolica Blasphemiae |
27. | KAAL NAGINI | Refracted Lights Of A Blind God |
28. | CAVE TO HADES | Pentatonic Symbolism |
29. | MDMA | Organic |
30. | INCANTATION | Unholy Deification |
- Redakteur:
- Kenneth Thiessen